Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Werte und gesellschaftliche Entwicklung

Prof. Dr. h.c. Werner Lachmann Ph.D.

Das Wort „Werte“ wird derzeit viel in den Mund genommen. Achtzig Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches haben Politiker jetzt den „Mut“, sich gegen rechts auszusprechen. So sehen sie sich nun als wahre Demokraten. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ war das noch anders. Viele Täter waren noch oder bald wieder in den Machtstrukturen verankert. Heute meinen manche Populisten, sie seien Demokraten, wenn sie sich gegen „rechts“ aussprechen.

Im Taktieren gegen „rechts“ besteht aber gleichzeitig die Gefahr, dass demokratische Strukturen ausgehebelt werden, wie sich 2020 bei der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten in Thüringen zeigte. Taktieren nicht alle Parteien, wenn es um Macht geht? Der frühere Bürgerrechtler Günter Nooke hat in der letzten Ausgabe von Wirtschaft und Ethik vor vorschnellen Zuschreibungen von Rechtsextremismus mit Blick auf die Wähler in Ostdeutschland gewarnt. Der Freiheitsindex 2024 von Media Tenor und dem Institut für Demoskopie Allensbach vom Herbst 2024 hat dargelegt, dass 41 Prozent der Deutschen nicht das Gefühl haben, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei äußern kann, 51 Prozent der Menschen in Ostdeutschland haben nach derselben Untersuchung den Eindruck, dass ihre Sichtweise in den Medien kaum oder gar nicht vertreten ist.

Mit der Freiheit der Meinungsäußerung ist es auch an anderen Stellen schwierig. Biblische Aussagen zur Sexualmoral, etwa zur praktizierten Homosexualität, rücken denjenigen, der sie heute äußert, rasch in die Ecke von Hassverbrechen und Diskriminierung, weil sie gegen die Freiheit oder die Menschenwürde des Einzelnen gerichtet seien. Freiheit ohne feste Werte zerstört aber jede Gesellschaft! Eine absolute Freiheit für den Einzelnen vergisst, dass der Mensch sich nicht selbst geschaffen hat. Freiheit muss sich verantworten. In ähnlicher Weise sehen sich Menschen angegriffen, die gegen Abtreibung Stellung beziehen. So berichtet die Nachrichtenagentur idea am 28.1.2025 über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass ein Lebensschützer nicht vor der Abtreibungsambulanz gegen das Töten Ungeborener protestieren darf.¹ Doch Freiheit kann den Lebenssinn nicht ersetzen.

Im Jahre 798 nach Christus sagte der britische Gelehrte Alkuin² Karl dem Großen:
„Auf diejenigen muss man nicht hören, die zu sagen pflegen ‚Volkes Stimme‘, ‚Gottes Stimme‘, da die Lärmsucht des Pöbels immer dem Wahnsinn sehr nahekommt.“
Das Wort scheint wieder oder immer noch Gültigkeit zu haben.

Kampagnen von Meinungsmachern gegen alle „Andersdenkenden“ sind in den Leitmedien und den sozialen Medien erschreckend gegenwärtig. Dies schlägt sich vielfach nieder, wie zum Beispiel 2014 auf der GWE-Tagung zum Thema „Energiewende zwischen Vision und Wirklichkeit“ gezeigt wurde. Hans Christoph von Rohr, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Klöckner-Werke AG, berichtete dort von dem großen Befremden in Japan auf die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit nach dem Tsunami-Seebeben im März 2011, bei dem tausende von Menschen starben und in dessen Folge es zur nuklearen Kettenreaktion im Atomkraftwerk von Fukushima kam. So hätten in Deutschland die Sorgen um das Atomunglück viel größere Wellen geschlagen als die Anteilnahme an den Opfern der Überschwemmungen und führten in den beschleunigten Atomausstieg in Deutschland.

Schließlich beobachten christliche und weltliche Philosophen und Soziologen eine zunehmende Konzentration der Menschen auf ihr psychologisches Ich als Mittelpunkt allen Denkens und Handelns.³

Insbesondere die Kirchen sind gefragt, endlich wieder auf den Boden der biblischen Wahrheit zurückzukehren. Leider wirken die Kirchenführer oft wie dem Zeitgeist folgende Populisten! Gegen Gott, den Schöpfer, wird keine Kultur langen Bestand haben. Immerhin hat das Christentum⁴ in großen Teilen und während vieler Zeiten in der Welt Menschen vom Elend befreien helfen. Verantwortung und Nächstenliebe wuchs auf christlichem Boden und wird nicht mehr für wichtig gehalten. Der Anfang der Saat geht auf – da hilft nun auch keine Polemik dagegen! Erinnert wurde ich an ein Gedicht von Reinhold Schneider⁵:

Allein den Betern wird es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen,

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
was sie erneuern, über Nacht veralten,
und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Der Prophet Amos appellierte an sein Volk schon vor 2800 Jahren:
„Suchet mich, so werdet ihr leben.“ (Amos 5,4b)
Oder: „Suchet das Gute und nicht das Böse, auf dass ihr lebt und der Herr mit euch sei, wie ihr rühmt. Hasset das Böse und liebt das Gute, richtet das Recht auf im Tor …“ (Amos 5,14f).

In unserer orientierungslosen Zeit, wo Umweltschutz als Ersatzgott erscheint, brauchen wir wieder einen tragenden Lebenssinn, eine Umkehr zu den biblischen Aussagen, damit wir, wie Jesus es einmal ausdrückt, wirkliches Leben und volles Genüge haben. (Joh 10,10b)
Hier sind Christen in unserer Zeit besonders gefordert, auf die Konsequenzen echten christlichen Glaubens hinzuweisen.

Die entscheidende Frage ist die nach der Moral oder dem Ethos in einer Gesellschaft. Woher soll ethisches Handeln kommen, wenn es kaum noch Vorbilder gibt? Das menschliche Herz ist die Wurzel aller Probleme. Hier hat die Bibel eine Antwort; hier könnten Kirchen ihren Beitrag zur Stabilisierung der Moral in einer Gesellschaft leisten, die jedoch nicht das Ziel der christlichen Verkündigung ist, aber eine wichtige Nebenwirkung!

Der Verfasser des bekannten Buches Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry, hat einmal geschrieben:

„Wenn Menschen gottlos werden, dann sind die Regierungen ratlos,
Lügen grenzenlos, Schulden zahllos, Besprechungen ergebnislos,
dann ist die Aufklärung hirnlos, sind Politiker charakterlos,
Christen gebetslos, Kirchen kraftlos, Völker friedlos,
Sitten zügellos, Mode schamlos, Verbrechen maßlos,
Konferenzen endlos, Aussichten trostlos.“

Die Werte einer Bevölkerung und ihre Tugenden sind für die wirtschaftliche Entwicklung und das gesellschaftliche Miteinander von extremer Wichtigkeit. Versagen kann große Verwerfungen mit sich bringen. Die biblische Botschaft bietet hier eine große Hilfe an. Aber eine gottlose Kirche wird an diesem Versagen mit schuldig. Aber auch jeder Christ ist in diesem Bereich in seinem persönlichen Leben gefordert.


Fußnoten:

  1. BGH-Urteil: Demonstrationsverbot vor Abtreibungspraxen – idea.de, abgerufen am 27.4.2025.
  2. Vgl. Vishal Mangalwadi, Das Buch der Mitte. Wie wir wurden, was wir sind: Die Bibel als Herzstück der westlichen Kultur, Basel 2017, 6. Aufl. (fontis), S. 464.
    (Original: Nec audiendi qui solent dicere, vox populi, vox Die, quum tumultuositas vulgi semper insaniae proxima sit.)
  3. Trueman, Carl R. (2020): The Rise and Triumph of the Modern Self: Cultural Amnesia, Expressive Individualism, and the Road to Sexual Revolution. Wheaton, Crossway.
  4. Hinweis des Autors: Auch wenn es entartete Zeiten gab, z. B. in Südamerika unter Zwang, war es oft gerade das Christentum, das sich gegen Unrecht stellte, etwa in der Abschaffung der Sklaverei.
  5. Reinhold Schneider (1903–1958), Gedicht aus dem Jahr 1936.

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden

Die neusten Beiträge

Über uns

Die Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik ist ein eingetragener Verein zur Förderung von Forschung und Lehre in den Wirtschafts- wissenschaften auf der Grundlage einer Ethik, die auf dem biblischen Welt- und Menschenbild beruht.

Kontaktieren Sie uns
Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V.

Prof. Dr. Christian Müller

Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Scharnhorststr. 100
48151 Münster

E-Mail: info[a]wirtschaftundethik.de

oder   christian.mueller[a]wiwi.uni-muenster.de

Tel.: (02 51) 83 – 2 43 03/ -2 43 09

© 2025 Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik e.V. – website by yousay

Impressum   –     Datenschutz