Die Tagesschau tut es, die Gesamtschule meines Sohnes auch, und selbst das Rektorat meinerUni will nicht darauf verzichten: Sie alle “gendern” in ihren Texten! Damit meine ich nicht die seit langem gebräuchliche, aber sprachlich eigentlich unnötige Ersetzung des Duden-gemäßen generischen Maskulinums (z.B. “Studenten”) durch die zweigeschlechtliche Form (“Studentinnen und Studenten”), sondern die Verwendung eines Asterisks (“Gender-Sternchens”), Doppelpunkts oder unterstrichenen “Gender-Gaps” im Wortinneren von Personenbezeichnungen (“Student:innen”, “Student*innen”, “Student_innen”). In der gesprochenen Sprache wird für diesen Einschub – vergleichbar einem Glottisschlag – zumeist eine Pause gemacht.
“Evidenzloses Gelaber”
Dieser kleine Unterschied ist alles andere als unbedeutend: Was nämlich selbst viele Verwender des Einschubs in Personenbezeichnungen nicht wissen, ist, dass dieser ein Hinweis auf ein “drittes Geschlecht” sein soll. Der Genderstern oder Doppelpunkt im Wortinnern, so definiert es Wikipedia, dient “als Mittel der gendersensiblen Schreibung im Deutschen, um als Platzhalter in Personenbezeichnungen zwischen männlichen und weiblichen auch nichtbinäre, diversgeschlechtliche Personen typografisch sichtbar zu machen und einzubeziehen”. Und weiter: “Im Singular kann auch eine Person bezeichnet werden, die nicht männlich oder weiblich ist”1. Wer mit Stern, Doppelpunkt oder Gender-Gap “gendert”, bekennt sich also in praktisch jedem Satz zu einer “non-binären” Geschlechterdefinition. Er leugnet damit, was bis heute in jedem naturwissenschaftlichen Schulbuch steht: dass es genau zwei Geschlechter gibt. Die soziologische Behauptung, in Abhängigkeit von dem eigenen Identitätsempfinden existierten mehr als zwei Geschlechter, ist naturwissenschaftlich jedoch schlicht “evidenzloses Gelaber” (Prof. Dr. Axel Meyer, Evolutionsbiologe an der Uni Konstanz).2 Was die soziologische “Gender”-Definition meint, ist nicht das Geschlecht, das man gar nicht ändern kann, sondern eine Rolle, die man in der Gesellschaft einnehmen will oder auch nicht. Auch das von der Ampelregierung geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ kann an diesen naturwissenschaftlichen Tatsachen nicht vorbei: „Der Gesetzgeber“, so die Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard kürzlich in einem Zeitungsbeitrag, „kann gar keine Geschlechtsumwandlung ermöglichen. Er sagt nur: Diese Frau darf ab jetzt behaupten, sie sei ein Mann. Und umgekehrt. Die biologischen Grundlagen sind absolut nicht zu ändern.“³
Wer aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit mit einem Einschub gendert, bestreitet aber noch mehr als nur eine Binsenweisheit der Naturwissenschaft: Er leugnet die göttliche Schöpfungsordnung. „Als Mann und Frau schuf er sie“, lesen wir im biblischen Schöpfungsbericht (1. Mose 2:24). Und das Neue Testament konkretisiert, dass der Schöpfer dabei keine Fehler machte. Vielmehr „hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so im Leib eingefügt, wie er gewollt hat“ (1. Korinther 12:18). Als Christ kommt für mich schon aus diesem Grund die Verwendung von Gendersprache nicht in Frage, auch wenn selbst die großen Kirchen in ihren Publikationen immer häufiger die „non-binäre“ Schreibweise wählen.
Politisches Bekenntnis
Es ist erstaunlich, dass neben den naturwissenschaftlichen und theologischen Argumenten, die gegen die Gendersprache sprechen, in der öffentlichen Diskussion ein Aspekt praktisch unberücksichtigt bleibt: Die Verwendung von Doppelpunkt, Genderstern- oder -Gap in Personenbezeichnungen ist ein Bekenntnis zu einer linken Identitätspolitik. Schon die Behauptung der „Nicht-Binarität“ der Geschlechter ist keine Tatsachenaussage, sondern ein politisches Bekenntnis. Während selbstverständlich jeder das Recht hat, sich im Rahmen der allgemeinen Meinungsfreiheit zu linken Gesellschaftsvorstellungen zu bekennen, haben solche Statements im schulischen (und wohl auch hochschulischen) Unterricht nichts zu suchen. Dort gilt seit den 1970er Jahren die Bindung an den sog. Beutelsbacher Konsens mit seinem Überwältigungs- oder Indoktrinationsverbot“:
„Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbständigen Urteils‘ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.“4
Was aber könnte Lernende stärker überwältigen, als wenn sich ihr Politiklehrer in seinem Unterricht in praktisch jedem Satz zu einer linken Gesellschaftssicht bekennt? Es erscheint offensichtlich, dass das für den Schulunterricht formulierte Beutelsbacher Indoktrinationsverbot eine gute Leitlinie für das Verhalten von Bildungs- und Rechtsträgern allgemein sein dürfte – ob es sich nun um akademische Lehrveranstaltungen handelt, Verwaltungsakte von Behörden oder um die Berichte in den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien. Genau aus diesem Grund verwende ich – in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung5 – in meinen akademischen Vorlesungen und Seminaren sowie in wissenschaftlichen Publikationen keine Gendersprache, auch wenn mir dies in studentischen Evaluationen immer häufiger zum Vorwurf gemacht wird. Betrachtet man die akademische Diskussion, so ist es schon erstaunlich, dass die gleichen Kollegen aus Politikwissenschaft und Soziologie, die nicht müde werden, die Volkswirtschaftslehre wegen ihres behaupteten (aber empirisch kaum nachweisbaren) Indoktrinationseffekts“ zugunsten von Markt und Wettbewerb6 als ideologisch zu kritisieren, keinerlei Skrupel zu haben
scheinen, die Hochschule im Sinne ihrer eigenen identitätspolitischen Ideologie zu instrumentalisieren. Gendersprache in Bildungsangeboten führt jedoch nicht zu mündigen, sondern zu manipulierten Bürgern7. Ein „Zurück nach Beutelsbach“ wäre insofern ein Dienst im Sinne von Aufklärung und Demokratie.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Gendersternchen.
2 https://de.richarddawkins.net/articles/gender-studies-sind-mehr-ideologie-als-wissenschaft.
3 https://www.welt.de/politik/article240616385/Gender-Debatte-Queerbeauftragter-hat-den-Grundkurs-in-Biologie-verpasst-sagt-Nobelpreistraegerin.html.
4 https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/.
5 https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-empfehlungen-vom-26-03-2021/
6 Vgl. hierzu die Studien aus dem Institut für Ökonomische Bildung der Universität Münster: Ruske, R. (2015), Does Economics Make Politicians Corrupt? Empirical Evidence
from the United States Congress, in: Kyklos 68, S. 240-254; Ruske, R. und J. Suttner (2012), Wie (un-)fair sind Ökonomen? – Neue empirische Evidenz zur Marktbewertung
und Rationalität, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 63, S. 179-194. Schleithoff, F. und M. Sendker (2015), Ethics2Go and Pharisee Effect:
The Ethical Discrepancies of Economists, in: Zeitschrift für Marktwirtschaft und Ethik 5, S. 55-75; file:///C:/Users/cmuel_03/Downloads/jme_5.pdf.
7 Zur Mündigkeit als Bildungsideal vgl. Christian Müller/Fabian Remkes (2021), Wirtschaftsbürgerliche Bildung als Leitbild der Wirtschaftserziehung, in: Pädagogische Rundschau 1/2021, S. 15-32; https://www.ingentaconnect.com/contentone/plg/pr/2021/00000075/00000001/art00002%3Fcrawler%3Dtrue%26mimetype%3Dapplication/pdf.