Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Sichern Schulden Deutschlands Zukunft?

Ist das exorbitante Schuldenpaket der neuen schwarz-roten Bundesregierung unter Friedrich Merz gut für die deutsche Wirtschaft? Unsere Experten kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen.

PRO
Prof. Dr. Dr. Elmar Nass, Kölner Hochschule für Katholische Theologie

Ein C-Kompass für die C-Parteien in der Schuldenfalle

Der alte Bundestag hat ein nie dagewesenes Schuldenpaket beschlossen. Sicherheit, Infrastruktur und Klimaschutz sollen finanziert werden. Vor allem die CDU steht in der Kritik. Sie habe ihre Wahlversprechen gebrochen. Sie habe mit der Einberufung des alten Bundestages den Wählerwillen missachtet. Sie habe den abgewählten Grünen die Klimaneutralität im Grundgesetz zugestanden: wie auf einem Basar als Gegenleistung für deren Zustimmung. Starker Tobak. Vor allem die AfD und die Linke freuen sich, profitieren doch gerade die politischen Ränder davon, wenn CDU/CSU und SPD in der Kritik stehen. Nichts lieber wäre ihnen als das Scheitern der Verhandlungen und eine Neuwahl. Oder eine Koalition, die einfach weitermacht wie die Ampel. Beides würde die Ränder weiter stärken und unsere freiheitliche Demokratie auf eine harte Probe stellen. Das gerade von den rechten und linken Kräften geschürte Narrativ vom Glaubwürdigkeitsverlust gibt Anlass zur Sorge. Dabei geht es um weit mehr als die CDU. Parteitaktische Scharmützel vernebeln die Gefahrenlage. Christliche Sozialethik mit einer Reihe sozialer Werte und Prinzipien bringt Licht ins Dunkel.

Generationengerechtigkeit:
Das Schuldenpaket belastet kommende Generationen. Die müssen die Zinslast tragen und die Schulden zurückzahlen. Es bleibt weniger Handlungsspielraum für künftige Bundesregierungen. Das alles ist richtig. Doch was nutzen uns solide Finanzen, wenn autoritäre Mächte uns mit Krieg drohen. Putin schielt und schießt in Richtung Westen. China zersetzt im Cyberkrieg, durch Spionage und subtile Abhängigkeiten die freiheitlichen Länder von innen. Auch das ist Krieg. Die letzten Wochen haben deutlich gezeigt, dass Europa sich nicht auf den Beistand der USA verlassen kann. Wir müssen für unsere Verteidigung selbst aufkommen. Die besondere Bedrohungslage verdient besondere Anstrengungen. Der Schutz freiheitlicher Demokratie ist auch für Christen ein primäres Ziel der Generationengerechtigkeit. Gleiches gilt für eine intakte Infrastruktur. Sie ist Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand im Dienst der Menschen.

Soziale Gerechtigkeit:
Hohe Verschuldung birgt das Risiko der Inflation. Deren Last tragen vor allem mittlere und untere Einkommensgruppen sowie Sparer und Rentner. Eine restriktive Geldpolitik der EZB könnte gegensteuern. Die EZB muss aber stets ganz Europa im Blick haben. Und wenn Deutschland mit Mega-Schulden ausschert, wird solche Restriktion womöglich ausbleiben, mit bitteren Folgen für unsere Preisstabilität. Dieser Mechanismus sozialer Ungerechtigkeit greift, wenn Menschen Vertrauen in das Geld verlieren. Für Christen ist Inflation ein Übel, weil sie die Schwachen schwächt. Im Blick auf das Schuldenpaket fällt die Bewertung aber nicht so einfach aus. Denn es ist ja nicht einfach so, dass der Staat das Geld hinauspulvert. Vielmehr muss das Geld sehr sorgsam und gezielt investiert werden. Viele Unternehmen und Menschen kommen damit in Arbeit. Sie zahlen Steuern und Sozialabgaben. Das wiederum bringt Geld zurück in die Staatskassen. Wird das Geld verantwortlich investiert, vertrauen die Menschen der Politik und dem Geld. Und das wiederum mindert die Gefahr der Inflation mit ihren negativen Folgen.

Freiheit:
Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft widerspricht der Grundidee von Ludwig Erhard. „Wohlstand für alle“ heißt vor allem: Unabhängigkeit der Bürger von Wohltaten des Staates, verbunden mit soliden Finanzen. Aus christlicher Sicht ist solche Eigenverantwortung biblisch belegt (etwa im Gleichnis der Talente). Wir müssen angesichts des Schuldenpakets jetzt aber deswegen nicht in Panik ausbrechen. Deutschland liegt mit der Verschuldung derzeit bei etwa 63 % des Bruttoinlandsproduktes. Und damit weit unter dem Durchschnitt der EU-Partner. Das gibt uns jetzt den nötigen Handlungsspielraum in der besonderen Bedrohungslage. Außerdem stellen wir unsere Verteidigung auf eigene Beine. Wir bauen also die Abhängigkeit von anderen Mächten (USA) ab. Und dies ist gerade auch ein Beitrag zu unserer Freiheit.

Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit:
Das Füllhorn öffentlicher Gelder weckt Begehrlichkeiten bei allen möglichen Lobbygruppen. Eine Bedienungsmentalität könnte die Folge sein. Damit verbundene Verschwendung samt egoistischer Mentalität widersprechen dem christlichen Gebot der Nächstenliebe und dem sorgsamen Umgang mit knappen Ressourcen. Und damit auch den Grundsätzen Sozialer Marktwirtschaft. Die Verwendung der Kredite muss streng dem Grundsatz einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ folgen. Zu verteilende Gelder für Wehrhaftigkeit und Infrastruktur dienen unserer Sicherheit und dem nachhaltigen Wohlstand. Basta! Das ist ein solidarischer Beitrag des Gemeinwesens für seine Bürger. Die Bürger stehen wiederum zugleich in der Pflicht, Opfer für diese übergeordneten Aufgaben zu bringen und eigene Interessen hintanzustellen. Nur so kann die Wirkung nachhaltig sein.

Vertrauen und Demut:
Das CDU/CSU-Bekenntnis zur Schuldenbremse im Wahlkampf erscheint manchen Kritikern wie „Geschwätz von gestern“. Wenn das Vertrauen in Wahlversprechen sinkt, verliert die Demokratie an Glaubwürdigkeit. Das Reden von Sondervermögen ist ein Fake. Es geht nicht um Vermögen, sondern um Schulden. Das muss auch so klar gesagt werden. Gleiches gilt für die Gründe, die jetzt ein aktuelles Umschwenken der CDU/CSU in den politischen Zielen nötig machten. Im Blick auf die Sicherheitslage liegen diese Gründe auf der Hand. Das sollte ganz offensiv und selbstbewusst erklärt werden. Hinsichtlich der Infrastruktur hätte man schon im Wahlkampf Handlungsbedarf erkennen müssen. Das sollte mit christlich gebotener Demut ebenso transparent eingestanden werden. Solche Offenheit schafft wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Dazu kommen müssten in der Union rote Linien in den Koalitionsgesprächen. Sie darf nicht einfach nur die Farbe ihres Koalitionspartners annehmen. Sonst tappt sie in die Falle der Profillosigkeit, von der die Ränder profitieren. Eine Rolle rückwärts in der Asylpolitik, die Revision des Abtreibungsrechts oder Gießkannenpolitik bei der Verwendung der Kredite sollte sie vermeiden, um nicht die Stammwähler zu verlieren, für die das „C“ im Parteinamen mehr ist als verstaubte Tradition.

CONTRA

Prof. Dr. Jan Schnellenbach, Brandenburgische Technische Universität in Cottbus

Das Ende der Schuldenbremse belastet die Zukunft

Wir Älteren erinnern uns noch an die Budgetsituation des Bundes in den 2000er-Jahren. Damals floss in der Spitze mehr als jeder siebte Euro, den der Bund verausgabte, als Zinszahlung an die Inhaber von Staatsanleihen. Gefährdete dies unsere Wirtschaft? Einerseits: Wir haben es ja überlebt. Aber andererseits führte dies dazu, dass der Spielraum für produktive Staatsausgaben mit positiven Effekten auf das Wirtschaftswachstum, wie etwa öffentliche Investitionen, sank.

Zinsanstieg
Einen Anstieg der Zinsen sahen wir wieder nach der Ankündigung des jüngsten Schuldenpakets. Es ist anzunehmen, dass das Ende dieses Trends noch nicht erreicht ist. Wenn der Bund seine neuen Spielräume im Umfang von (sehr konservativ geschätzt) 1.000 Mrd. Euro nutzen wird, dann wird dies den Bundeshaushalt jedes Jahr um (wieder konservativ geschätzt) rund 30 Mrd. Euro belasten.

Die Befürworter dieser Politik argumentieren, dass die so finanzierten Staatsausgaben das Wachstum ankurbeln werden, damit aber auch die Steuereinnahmen. In einem finanzpolitischen perpetuum mobile finanzieren die Ausgaben die Zinslasten im Idealfall selbst. Wie realistisch ist dies? Einige Punkte sprechen dagegen.

Geringe Wachstumseffekte
Die Wachstumseffekte der Militärausgaben werden geringer ausfallen als oft behauptet. Denn die Studien, die hier große Effekte finden, sehen diese vor allem dann, wenn militärische Forschung angekurbelt wird und in den zivilen Sektor überschwappt. Angesichts der russischen Bedrohung werden unsere Militärausgaben aber wenig forschungsintensiv sein. Wir kaufen, was schon in den Regalen liegt, denn es eilt sehr.

Bei den neuen zivilen Investitionen des Staates trifft viel Geld auf begrenzte Kapazitäten, z. B. in der Bauwirtschaft. Das wird sich in steigenden Preisen niederschlagen. Wir bekommen also nur zum Teil für das zusätzliche Geld mehr reale Infrastruktur, zu einem anderen Teil zahlen wir einfach höhere Preise. Und dies wiederum hat zusammen mit den steigenden Kapitalkosten durch höhere Zinsen auch negative Effekte auf private Investitionen.

Die Kreativität der Politik
Dann kommt noch die Politik ins Spiel. Welcher Teil des 500 Mrd.-Sondervermögens für Investitionen tatsächlich in reale Investitionen mit Wachstumseffekten fließen wird, werden wir erst noch sehen. Die Politik wird sich sehr kreativ darin zeigen, eigentlich konsumtive Ausgaben als Investitionen in dies und das zu verkaufen.

Es gibt auch noch das Risiko, dass wir europäische Turbulenzen auslösen. Denn die Risikoaufschläge anderer Länder relativ zu Deutschland bleiben bestehen. Steigen bei uns die Zinsen, dann tun sie das auch in Italien und Frankreich. Deren Schuldentragfähigkeit könnte in Zweifel geraten, die EZB wieder gezwungen sein, Staatsanleihen zu kaufen. Die Inflationskontrolle in Europa könnte leiden.

Kein spektakulärer Crash, aber …
Ein nicht unrealistisches Szenario sieht so aus: In den kommenden Jahren sorgen die neuen Ausgaben für ein konjunkturelles Strohfeuer. Für drei, vier Jahre sehen die Daten recht gut aus, die Beschäftigung steigt etwas und das kurzfristige BIP-Wachstum auch. Da gleichzeitig echte Reformbemühungen fehlen und die neuen Ausgaben nur für wenige echte Investitionen sorgen, ändert sich am langfristigen Wachstum des Produktionspotentials aber wenig.

Kommt es so, dann hinterlassen wir der nächsten Generation hohe Zinslasten, während Einkommen und Steuereinnahmen stagnieren. Gefährdet die Verschuldung also unsere Wirtschaft? Einen spektakulären Crash muss niemand fürchten. Ein langsames Zurückfallen relativ zu erfolgreicheren Volkswirtschaften aber durchaus.

Der Beitrag von Elmar Nass wurde mit freundlicher Genehmigung übernommen von domradio.de.

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden

Die neusten Beiträge

Über uns

Die Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik ist ein eingetragener Verein zur Förderung von Forschung und Lehre in den Wirtschafts- wissenschaften auf der Grundlage einer Ethik, die auf dem biblischen Welt- und Menschenbild beruht.

Kontaktieren Sie uns
Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V.

Prof. Dr. Christian Müller

Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Scharnhorststr. 100
48151 Münster

E-Mail: info[a]wirtschaftundethik.de

oder   christian.mueller[a]wiwi.uni-muenster.de

Tel.: (02 51) 83 – 2 43 03/ -2 43 09

© 2025 Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik e.V. – website by yousay

Impressum   –     Datenschutz