Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Die Freie Gesellschaft und ihre Feinde

Von Ralf Bergmann

Ich habe meine Jugend nahe an der Grenze zur damaligen DDR verbracht. Mein Vater leitete dort ein regionales Strom- und Wasserversorgungsunternehmen. Da man damals Wasser aus einer Quelle bezog, die auf dem Gebiet der DDR lag, besuchten wir hin und wieder die DDR. Der „real existierende Sozialismus“ begrüßte uns dabei mit einem tristen grau-braunen Grenzgebiet mit ebenso trist anmutenden Inschriften, die zum Beispiel die „Waffenbrüderschaft mit der UDSSR“ lobten. Die offiziellen Begegnungen waren hölzern und formal. Bei Gesprächen mit Funktionären zeigten sich diese als treue Pflichtverteidiger des Sozialismus. Umso interessanter waren private Einladungen des Gegenübers meines Vaters zum Abendessen. Als die Haustüre geschlossen und die Vorhänge zugezogen waren, hatte ich den Eindruck, es mit ganz anderen Menschen zu tun zu haben. Man war herzlich, gastfreundlich und redete recht offen miteinander. Wenn auch der Unterschied im Lebensstandard zwischen Ost und West überdeutlich war, so war es doch etwas anderes, dass die Menschen dort anscheinend noch mehr umgetrieben hat: Die Sehnsucht nach Freiheit!

Was man noch sagen „darf“

Das Thema Freiheit scheint interessanterweise heute wieder zentral zu sein. Was „darf“ man öffentlich sagen, was „darf“ man denken? Die meisten Menschen sagen nicht mehr einfach ihre Meinung. Auch viele Menschen an den Schaltstellen der „freien“ Wirtschaft sind sehr vorsichtig geworden. Zu groß ist die Gefahr, durch einen „Shitstorm“ Kunden zu verlieren. Und außerdem sind doch viele heikle Themen für die Wirtschaft sowieso eigentlich nebensächlich, oder?

Aber woher kommt die anscheinend flächendeckende Macht, die unser Leben verändern will? Die These, die ich in meinem Buch „Die freie Gesellschaft und ihre Feinde“ vertrete, wird manchen Leser überraschen. Ich möchte sie hier wie folgt zusammenfassen: Linke, sozialistisch geprägte Ideologie zerstört die stabilisierenden Grundlagen unserer Gesellschaft durch eine schleichende Umgestaltung in Richtung eines autoritären, dysfunktionalen Systems.

Diese Umgestaltung vollzog sich über Jahrzehnte langsam, gewinnt aber immer mehr an Fahrt und wird daher in den letzten Jahren auch von immer mehr Menschen erkannt. Die Befreiung von den Fesseln dieser Ideologie ist der Schlüssel, der die Öffnung dringend erforderlicher Lösungsräume ermöglicht, die derzeit durch Denkverbote und pseudomoralische Ketten fest verschlossen sind. Dabei sind die Lehren des letzten Jahrhunderts überdeutlich. Den meisten Menschen ist dabei allerdings nicht klar, dass die blutigste Ideologie der Menschheitsgeschichte mit mehr als 100 Millionen Toten der Kommunismus war. Diese Tatsache macht den Nationalsozialismus natürlich um keinen Deut besser. Der Politikwissenschaftler Rudolf Rummel (1932-2014) bringt es mit der Untersuchung der Anzahl von Todesopfern durch Regierungshandeln auf den Punkt: „Macht tötet und absolute Macht tötet absolut!“ – Egal, ob von rechts oder von links. Der Philosoph Karl Popper (1902-1994), der sich unter anderem um die Untersuchung der Einstellungen verdient gemacht hat, die Unfreiheit hervorbringen, drückt es so aus: „Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“ Kommunismus oder Sozialismus haben stets Unterdrückung, Verbrechen, und Terror gebracht.

Wohlstand braucht freie Menschen

Aber nicht nur das: Unfreiheit macht arm. Wohlstand braucht freie Menschen, die eigenständig handeln und ihr Leben in die Hand nehmen. Und einen Staat, der freiheitliche Rahmenbedingungen schafft, Stabilität, Rechtssicherheit, Handels- und Vertragsfreiheit ermöglicht. Der empirische Zusammenhang zwischen Freiheit und Wohlstand ist überwältigend. Winston Churchill (1874–1965) wird die Aussage zugesprochen: „Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die ungleichmäßige Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmäßige Verteilung des Elends.“

Die heute propagierte Ideologie kommt wesentlich sanfter daher, mit „guten“ moralischen Ansätzen, mit hohen Ansprüchen, aufgeklärt und „Gerechtigkeit“ fordernd. Ob Umverteilung, gesellschaftliche Repräsentation, gerechte Teilhabe, gerechte Sprache, „gerechte“ Gestaltung des Klimawandels oder schließlich die gerade in jüngster Zeit vieldiskutierte „Identitätspolitik“ – hinter all den Fassaden erblickt man den Versuch, einen Menschen nach dem Bilde einer Ideologie zu formen, die dem Menschen nicht entspricht. Es sind alte Rezepte in neuem Gewand mit den beliebten Zutaten von Kontrolle, Quoten, Verboten, Entmündigung und Enteignung. Nach der „Befreiung“ kommt dann der viel größere Zwang im pseudoreligiösen, neuen System. Warum also eine Neuauflage versuchen?

Ein echter Neuanfang wäre eine Besinnung auf den christlichen Glauben, der den Menschen zurückführt auf seine Natur als Geschöpf Gottes, seine Fehlbarkeit und Erlösungsbedürftigkeit und: Seine Freiheit als Geschöpf Gottes. Das vorletzte Kapitel meines Buches heißt „Der Freiheit zum (über)Leben verhelfen“ und beschreibt konkrete Schritte der Befreiung der eigenen Gedanken und des eigenen Redens und schließlich des eigenen Handelns für die Freiheit. Das letzte Kapitel zeigt die Alternativen, auf die wir zusteuern. Wir sind „Auf dem Scheideweg zwischen Freiheit und Chaos.“

Ralf B. Bergmann, „Die Freie Gesellschaft und ihre Feinde“, Verlag des Professorenforums (2021). 12 €, erhältlich über www.professorenforum.de
(Die im Text genannten Zitate, Zahlen, Daten und Fakten finden sich mit den entsprechenden Quellen im Buch.)

Prof. Dr. Ralf B. Bergmann, Bremen, Jahrgang 1962, ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder, zwei Schwiegerkinder und ein Enkelkind. Er ist Physiker und engagiert sich über das eigene Fach hinaus für die Diskussion weltanschaulich und gesellschaftlich relevanter Fragen. Das vorliegende Buch entstand aus Vorträgen und Fragen von Hörern.

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