Wir trauern um den 2. Vorsitzenden der GWE, Prof. Dr. Harald Jung
Harald Jung war so etwas wie der theologische Kopf im engeren Vorstand der GWE, hatte er doch nicht nur eine ökonomische Ausbildung – ein Diplom in Volkswirtschaftslehre der Universität Mainz –, sondern auch evangelische Theologie studiert. Seine theologische Dissertation, mit der er 2005 an der Universität Neuchâtel promoviert wurde, verband die beiden „Seelen“, die in seiner Brust wohnten, und trug den Titel „Soziale Marktwirtschaft und weltliche Ordnung. Zur Grundlegung einer politischen Wirtschaftsethik im sozialethischen Ansatz Luthers“. Dabei unternahm er es, die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft auf eine originär „evangelisch-reformatorische“ Weise zu begründen und zu legitimieren, was schon deshalb eine interessante Unternehmung darstellte, weil der große Reformator gar nicht der Theoretiker einer gerechten politischen Ordnung hatte sein wollen, sondern stets auf die Frage nach dem Heil des Menschen und nach Heilsgewissheit ausgerichtet war.
Es waren solche Grundsatzfragen des Glaubens und der Wirtschafts- und Sozialethik, die Harald Jung ab 2011 auch als Professor für Ethik und Soziallehre an der Internationalen Hochschule Liebenzell umtrieben. Sie prägten zudem seine Interessen im Rahmen seiner Arbeit in der GWE, deren zweiter Vorsitzender er seit 2012 war. Die Gespräche auf Tagungen, am Telefon oder in Zoom-Konferenzen, in denen wir stundenlang diskutieren konnten, endeten dabei nicht selten im gemeinsamen Gebet. Harald wurde vielen von uns ein echter Freund, mit dem wir ohne Vorbehalte auch ganz Privates teilen konnten.
In den letzten Monaten arbeitete Harald Jung an der Herausgabe unseres Bandes „Brave New Work? Mensch und Arbeit im 21. Jahrhundert“ im Nachgang zu unserer Tagung in Kaub, die wesentlich seine Handschrift trug. Im November 2023 veranstalteten wir noch unsere gemeinsam geplante Jahrestagung zu den „Moralischen Grenzen von Märkten“ in Bad Staffelstein. Dort klagte Harald bereits über Schwindelgefühle. Dass er dann am 20. Januar 2024 im Alter von nur 57 Jahren einem Gehirntumor erlag, kam für uns dennoch völlig überraschend. Doch so schwer es für seine Freunde und Kollegen bis heute ist, das zu verstehen und zu akzeptieren, so sehr tröstet es uns, dass wir ihn nun bei dem Herrn geborgen wissen dürfen, den er so brennend liebte. Geradezu prophetisch erscheint, dass Harald noch im letzten Jahr einen Vortrag zum Thema „Staunen über die Gegenwart Gottes“ gehalten hat (abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=OZ4e7bNXjz8).
Mit Harald Jung verliert seine Familie einen liebevollen Ehemann und begeisterten Vater. Die GWE verliert mit ihm einen Ratgeber, dessen gute und intelligente Gedanken uns stets sehr wertvoll waren, und nicht zuletzt einen engen Freund, dessen Herzlichkeit und Fröhlichkeit wir sehr vermissen werden. Die Stimme dieses hochgeschätzten christlichen Denkers wird in der Wirtschafts- und Sozialethik fehlen.
Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Christian Müller im Namen der GWE