„Klima-Kleber sorgten für Stau: Frau nach Betonmischer-Unfall tot“, titelt Merkur.de reißerisch am 4.11.2022.1 Nicht erst seit diesem tragischen Unfall in Berlin stehen Klimaschützer in Deutschland selbst in der medialen Kritik. Dies zeigt die wissenschaftliche Inhaltsanalyse der Berichterstattung der Fernseh-Abendnachrichten von ARD, ZDF und RTL, Deutschlandfunk-Nachrichten, BILD, Spiegel und Bild am Sonntag des Analyseinstituts Media Tenor International. Es scheint, als wären die radikalen Protestaktionen Ausdruck des Gefühls, trotz einer maßgeblichen Beteiligung der Grünen in der Bundesregierung nicht genügend Gehör zu finden, da zuerst die CoronaPandemie und dann der russische Krieg gegen die Ukraine und die Folgen an den Energiemärkten die Klimaschutzthemen in den Leitmedien in den Hintergrund gerückt haben.
Anfang 2019 erreichten Klima-Themen einen Anteil von über 1,5 Prozent an allen Themen der Berichterstattung, womit sie über der Wahrnehmungs-Schwelle für ein breites Publikum lagen. Der Spitzenwert lag im zweiten Halbjahr 2019 bei 3,8 Prozent. Klima-Themen standen deutlich stärker im Fokus als Energie-Themen. Die Fridays for Future-Bewegung mit Greta Thunberg und Luisa Neubauer erreichte den Höhepunkt ihrer medialen Aufmerksamkeit und viel Zustimmung. In der Corona-Zeit stellten die Medien dagegen andere Themen in den Mittelpunkt: das Infektionsgeschehen ebenso wie die gesundheitspolitischen Maßnahmen und die gesellschaftliche Debatte darüber. Erst im zweiten Halbjahr 2021 stieg die mediale Aufmerksamkeit für Klima-Themen wieder etwas an. Doch noch schneller stieg die Aufmerksamkeit der Medien für EnergieThemen mit Beginn der Preissteigerungen im Sommer 2021.
Und mit dem russischen Krieg, den Ängsten vor Versorgungsengpässen und weiteren starken Preissteigerungen gerieten die Klima-Themen wieder in den Hintergrund, während die Energie-Themen bis in die jüngste Zeit allgegenwärtig sind. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufmerksamkeit für Klimaschützer wie die FFF-Bewegung stark gesunken. Klimaschutzproteste auf der Straße mit Blockade-Aktionen oder der Drohung, Energieinfrastruktur zu beschädigen, können als Versuch gedeutet werden, sich wieder gesellschaftliches Gehör zu verschaffen. Doch während zu Beginn der FFF-Bewegung die Medien die Proteste der vorwiegend jungen Generation auf der Straße regelrecht feierten, ist davon bei den Aktionen der radikalen Klimaschützer nichts zu sehen. Es besteht das Risiko, dass sich hier gesellschaftliche Parallelwelten bilden, die zunehmend weniger in der Lage sind, sich gegenseitig zu verständigen.
1 https://www.merkur.de/deutschland/berlin/feuerwehr-polizei-berlin-opfer-stau-betonmischer-kritik-klimaaktivisten-unfall-rettungswagen-91887153.html;
abgerufen am 5.11.2022