Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Ist “greeninflation” gar keine richtige Inflation?

Nach Jahren eher niedriger Geldentwertungsraten ist plötzlich die Inflation zurück. In Deutschland lagen die Verbraucherpreise im Dezember 2021 um 5,3% über ihrem entsprechenden Vorjahresstand, in den USA waren es sogar 7%. Noch stärker ist der jüngste Anstieg der Erzeugerpreise gewesen: Im Dezember 2021 lagen sie in Deutschland um 24% höher als vor Jahresfrist, das war der höchste Anstieg seit 1951. 

Einen nicht unwesentlichen Anteil am jüngsten Preisanstieg haben die höheren CO2-Preise auf den Verbrauch von fossilen Energieträgern. Auch andere Umweltauflagen und die erzwungene Umstellung auf „saubere“, aber teure Energieträger wie Photovoltaik und Windenergie treiben die Kosten und damit die Preise. So muss wegen der jederzeit gegebenen Möglichkeit einer Dunkelflaute (d.h. es scheint weder die Sonne noch weht der Wind) praktisch die gesamte Stromerzeugungskapazität doppelt vorgehalten werden, einmal mit erneuerbaren und einmal mit fossilen Reserveenergieträgern. Das wiederum wirkt sich auf energieintensiv hergestellte Produkte aus, von der Stahlerzeugung bis hin zum morgendlichen Brötchen.

Für so verursachte Preissteigerungen hat sich inzwischen der Begriff „grüne Inflation“ („greenflation“) etabliert. Umweltorganisationen wie Greenpeace laufen allerdings Sturm dagegen. Denn es handele sich dabei lediglich um die Internalisierung und Sichtbarmachung von externen Kosten fossiler Energien, was mit Geldentwertung nichts zu tun habe. Gelegentlich wird sogar gefordert, alle real statt monetär verursachten Preissteigerungen aus der offiziellen Inflationsrate herauszurechnen. Dazu würden dann z.B. auch durch Lieferengpässe verursachte Preissteigerungen gehören, wie sie derzeit ebenfalls eine erhebliche Rolle spielen. 

Richtig daran ist, dass man zwischen realen und monetären Preistreibern unterscheiden sollte. Stellen wir uns etwa ein Wikingerdorf vor, das nur Korn produziert und wo Muscheln als Geld verwendet werden. Würde sich nun die Muschelmenge verdoppeln, ohne dass die Kornmenge steigt, so käme es zu echter Inflation, d.h. über kurz oder lang würden sich sowohl der Kornpreis als auch der Durchschnittslohn in Muscheln gerechnet verdoppeln. Der Wert des Muschelgeldes hätte sich also halbiert, ohne dass sich am realen Wohlstand etwas geändert hätte. 

Anders wäre es aber, wenn bei gleicher Muschelmenge nur noch halb so viel Korn produziert würde, etwa aufgrund einer Missernte. Auch dann würden sich die in Muscheln gerechneten Kornpreise verdoppeln, aber die Muschellöhne blieben unverändert. Ihr Wert in Korneinheiten hätte sich allerdings halbiert, was den Wohlstandsverlust aufgrund der Missernte widerspiegelt. Nur die Güterpreise, nicht aber die Faktorpreise würden also in diesem Fall steigen, und die Ursache des Preisanstiegs der Güter wäre real, nicht monetär verursacht. Man sollte hier deshalb nicht von Inflation, sondern bestenfalls von Pseudoinflation sprechen.

Ähnlich liegt der Fall, wenn die Wikinger eine CO2-Steuer auf die Kornproduktion erheben, weil sie z.B. glauben, damit das Weltklima beeinflussen zu können. Auch in diesem Fall wird bei unveränderter Muschelgeldmenge die Kornproduktion zurückgehen und der Kornpreis steigen. Es handelt sich also erneut nur um Pseudoinflation, bei der übrigens im Gegensatz zur echten Inflation auch kein zusätzlicher Geldschöpfungsgewinn für die Muschelzentralbank anfällt. Zudem kann man theoretisch zeigen, dass bei Pseudoinflation der natürliche Zinssatz erhalten bleibt, während er bei echter Inflation durch Geldvermehrung verfälscht wird.1

Hat Greenpeace also recht mit der Forderung, höhere Umweltsteuern aus der Inflationsrate herauszurechnen? Die Mehrheit der Ökonomen hält davon wenig, da man sich dadurch nur in falscher Sicherheit wiegen würde. Denn Inflationsprozesse sind ein dynamischer Vorgang, bei dem reale und monetäre Faktoren eng zusammenspielen. Wie bei einer Lawine kommt es letztlich nicht darauf an, welcher Stein sich warum genau in Bewegung gesetzt hat. Zudem neigt die Politik dazu, reale Wohlstandsverluste durch das Drucken von zusätzlichem Geld zu verschleiern. Dadurch steigen dann aber erst recht die Preise und nunmehr auch die Löhne, so dass aus den ursprünglich realen Ursachen eben doch echte Inflation entsteht.

In unserem Beispiel könnten z.B. die Wikinger-Gewerkschaften verlangen, die Löhne dem steuerbedingten Kornpreisanstieg anzupassen. Da die Kornmenge aber nun einmal geringer ist, führt das dazu in Umlauf gebrachte, zusätzliche Muschelgeld nur zu einer Illusion. Am Ende steht dann eine Lohn-Preis-Spirale und ein sinkender Geldwert, ohne dass der reale Wohlstandsverlust aufgrund der geringeren Kornproduktion dadurch verhindert werden könnte. (Die Wikinger gewinnen zwar auch etwas mehr Freizeit, aber diese ist weniger wert als die verlorene Kornmenge, denn andernfalls wäre sie auch ohne Besteuerung schon gewählt worden.) CO2-Steuern wirken also wie eine permanente Missernte, außer dass die Wikinger sich zumindest einbilden können, damit zugleich etwas für das Weltklima getan zu haben.

Ähnlich ist es in den beiden Ölkrisen Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre gewesen. Auch damals wurde versucht, den realen Wohlstandsverlust aufgrund knapperer Energie durch das Drucken von Geld auszugleichen, was natürlich nicht gelingen konnte. Trotzdem ist zu befürchten, dass dieser Weg auch in der aktuellen Situation wieder gegangen werden wird. Denn auch wenn alle vom Klimaschutz reden, ist doch kaum jemand bereit, dafür tatsächlich auch persönliche Opfer zu bringen. Wenn es hart auf hart kommt, wird vielmehr der volle Ausgleich der gestiegenen Energie- und sonstigen Preise auf dem Lohnzettel oder durch staatliche Zuschüsse und Steuererleichterungen erwartet. Die bequeme Lösung dieses Dilemmas für die staatlichen Verantwortungsträger ist eine Erhöhung der Geldmenge, was aber dann eben doch zu echter Inflation führt. Richtig wäre es stattdessen, den Geldwert möglichst stabil zu halten und den Leuten klar zu sagen, dass sie zugunsten des Klimaschutzes an anderer Stelle eben auf realen Wohlstand verzichten müssen.

1Vgl. dazu U. van Suntum, Capital, Interest, and Money, Columbia 2017, Kap. 3.6.

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