Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Hoffnung statt Transhumanismus: eine christlichsozialethische Sondierung

In einer sich säkularisierenden Gesellschaft ist die eigene Endlichkeit ein Tabu. Zugleich bekommt die Idee irdischer Unsterblichkeit durch technisches Enhancement Nahrung. In der Bewegung des Transhumanismus wird eine Symbiose aus Mensch und Technik angestrebt, die unsterblich ist. Es wird ewiges Leben versprochen, aber nicht im christlichen Sinne: Der Mensch könne mit einer technisch errungenen Unsterblichkeit (etwa als Cyborg mit künstlicher Intelligenz) den Tod besiegen, so die Vorstellung.

Das Phänomen des Transhumanismus mit seinen Schattierungen einer Verschmelzung von menschlichem und artefiziellem Körper ist die exponierte Spielart einer Kultur, die ohne den Glauben an Transzendenz das Thema Tod und Sterben so in Griff bekommen möchte, dass möglichst negative Gefühle verhindert werden. Ein bleibendes So-Sein ohne Tod wäre die transhumane Existenz. Dazu schafft sich der Mensch mit technischen Bausteinen selbst und ist sein eigener Bildhauer. Anthropologischer Konstruktivismus fördert schöpferische Kreativität in der Verfügbarkeit über Person und Identität. Diese Suggestion, dass der Mensch irdische Unendlichkeit erlangen könnte, verleitet zu einer Haltung der Hybris, selbst die Stelle des Schöpfers einzunehmen. Ein solcher Übermut verkennt die anthropologischen Erkenntnisse von Jahrtausenden, dass der Mensch auch ein fehlerhaftes Wesen ist mit Grenzen und Schwächen (vgl. etwa Platon, Augustinus, Thomas von Aquin, Thomas Hobbes, Immanuel Kant, Adam Smith u.v.a.m.). Ein humanoider Roboter mit menschlichen Partikeln oder ein verfügbar gemachter Cyborg mögen moralisch nichts Böses tun, aber sie tut auch nichts Gutes, wenn sie Algorithmen folgen. Solche Entitäten könnten Verfügungsmasse despotischer Regime werden und Science Fiction-Dystopien Vorschub leisten. Es besteht auch die Gefahr, dass mit reinen Nutzenüberlegungen definiert wird, wer oder was ein Mensch ist und wer oder was nicht. Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Die sozialethischen Folgen sind die Verabschiedung eines inhaltlich gehaltvollen Würdebegriffs und die bloße Karikatur des Humanismus. Maß des Transhumanen ist die technische Perfektion. Das damit verbundene Menschen- und Gesellschaftsbild führt schnell zu einer sozialdarwinistischen Diskriminierung der Nicht-Perfekten, etwa der Alten und Kranken oder der Menschen mit Behinderung und damit zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft mit entsprechenden sozialpolitischen Prioritäten, etwa wenn es um Rationierungsfragen im Gesundheitswesen geht. Denn das nunmehr als weniger wert angesehene Leben darf dann wohl kaum noch auf Hilfen hoffen. Krankes und sterbendes Menschsein verliert seine Würde.

Aus christlicher Hoffnung ist die bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod vor allem durch das Kreuzesereignis Jesu ein zentraler Anker von Moral. Der bewusste Blick auf Leid, Sterben und irdisches Ende bedeutet eine Nähe zu Christus, in dem menschliche und göttliche Natur vereint sind. Mit dem Tod ist das irdische Leben in der uns bekannten Körperlichkeit endgültig beendet. Was danach erhofft wird, ist eine andere Existenz in einer anderen Körperlichkeit, als ewiges Leben in einem Anders-Sein. Zwischen irdischer Existenz und dem neuen Leben liegt ein Gericht, zu dem Christen auf einen gnädigen und liebenden Gott setzen, der zugleich die in unserer irdischen Existenz genutzte Freiheit für oder gegen das Gute ernst nimmt. Die Endlichkeit ist damit für Bewusstsein und Moral des irdischen Lebens von zentraler Bedeutung. Gott ist Schöpfer und Herr über Leben und Tod. Er schenkt dem Menschen mit der Gottesebenbildlichkeit unantastbare Würde. Dieses Geschenk kann verletzt werden, aber sie kann keinem Menschen genommen werden. Christliche Anthropologie erkennt gerade im Kranken und im Sterbenden den Schatz unbedingter Würde und ermöglicht eine stimmige Moral der Vergebung, Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Mit der so sinnvollen Frage nach dem „Danach“ öffnet sich eine gut begründete Perspektive der Hoffnung. Sie ist angesichts irdischer Endlichkeit ein sich anvertrauendes Lebensgefühl. Die Konfrontation mit der Endlichkeit macht zunächst sprachlos. Das Vertrauen auf Jesus Christus bedeutet, nicht wegzuschauen, sondern Kreuz und irdische Endlichkeit anzuschauen und für sich Konsequenzen zu ziehen und so im Leben aufrecht weiterzugehen. Der so hoffende Mensch fühlt sich getragen. Er findet in dieser erlebten Freundschaft mit Gott als Gegenüber Trost, Anker und Zuversicht. Bedingungsloses Vertrauen, Aussicht auf Vergebung und neues Leben sowie erlebte Freundschaft Gottes prägen das irdische Sein, Denken, Fühlen und Handeln. Schmerz, Leid, Zweifel, Krisen, Endlichkeitserfahrung, Krankheit, Enttäuschung werden nicht ignoriert. Sie destruieren oder dekonstruieren aber nicht die Sinnperspektive. Vielmehr können sie bewusst in den Blick genommen, bewertet und anschließend in das eigene IchSein integriert und bewältigt werden. Das Mit-Sein Gottes ist die motivierende Quelle, Zumutungen erfahrener Zerrissenheit angesichts der Endlichkeit zu ertragen, in dieser Geborgenheit trotzdem innerlich erfüllt zu sein und mit Demut vor dem Tragenden Lebensfreude auszustrahlen.

Nur der Mensch ist Gottes Ebenbild. Schafft der Mensch eine transhumane Entität, fallen Gottesebenbildlichkeit und Begründung unbedingter Würde weg. Mit dem Transhumanismus will der Mensch Baumeister des Lebens sein und sich an die Stelle Gottes setzen. Aus christlicher Sicht ist diese Hybris ein weiterer Verstoß gegen den Schöpfungsplan. Der säkulare Sozialphilosoph Charles Taylor sieht zudem in der christlichen Hoffnung eine positive Wirkung des Jenseitsglaubens für die Lebensbewältigung wie für das Zusammenleben. Christen wirken mit ihrer Haltung zur Menschenwürde gerade auch der Kranken und Sterbenden als Garanten wesentlicher Verfassungswerte. Auch das macht Hoffnung.

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