Versuch einer biblischethischen Bewertung
Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung ein „Selbstbestimmungsgesetz“ verabschieden, wonach Erwachsene einmal jährlich durch eine einfache Mitteilung an das Standesamt ihr Geschlecht ändern können. Bei Minderjährigen genügt die Zustimmung der Eltern. Dieses Gesetz gehört zu den Bemühungen einiger Eliten, unsere Gesellschaftsordnung zu ändern, in Fortsetzung der 68er-Bewegung des letzten Jahrhunderts. Jahrhunderte alte Traditionen und Übereinkommen sollen nun neu und „freiheitlich“ geordnet werden. Wie ist dieses Anliegen einer politischen Minderheit biblisch-ethisch zu bewerten?
Am Anfang des Römerbriefes schreibt Paulus, dass die Schöpfung eine Offenbarung der Kraft und des göttlichen Wesens Gottes darstellt. „Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut, damit sie keine Entschuldigung haben.“ (Röm 1,20) Paulus fährt fort: „Indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Narren geworden.“
… „Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr in den unnatürlichen verwandelt. Und ebenso haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sie sind in ihrer Begierde zueinander entbrannt, indem die Männer mit Männern Schande trieben. … darum hat sie Gott dahingegeben in einen verworrenen Sinn, zu tun, was sich nicht ziemt.“
(Röm 1,24-28) Judas (18) erwähnt, „dass am Ende der Zeit Spötter sein werden, die nach ihren gottlosen Begierden wandeln.“
Ließe sich die neue Genderideologie nicht auch unter diesem Gesichtspunkt bewerten? Es scheint heute alles relativ zu werden. Familie ist nicht mehr Familie, Ehe nicht mehr Ehe und Mann nicht mehr Mann bzw. Frau nicht mehr Frau.
Tausende von Jahren war die Menschheit anscheinend dumm und uninformiert – aber jetzt können wir endlich „in Freiheit“ nach unseren Vorstellungen leben.
Handelt eine Spaßgesellschaft aber noch verantwortungsvoll? Wie tragfähig sind diese neuen Vorstellungen?
Zuerst müssen wir klären, was denn ein Geschlecht ist, wie Mann und Frau verstanden werden. In der Biologie unterscheidet man bei fortpflanzungsfähigen Lebewesen zwischen Empfangenen, die abzählbare große Eizellen haben, und Gebenden, die eine Unmenge von Samenzellen produzieren. Letztere gelten als männlich und erstere als weiblich. Nach meiner Kenntnis gehören immer ein Ei und ein Same zu einer erfolgreichen Fortpflanzung und damit zum Erhalt einer Art. Biologisch gesehen ist damit ein Mann als Mann und eine Frau als Frau von Geburt an definiert. Zwei Samen können sich genauso wenig fortpflanzen wie zwei Eizellen. So hat Gott die Menschen geschaffen und ihnen den Auftrag gegeben: Mehret euch! Sex dient somit auch der Fortpflanzung (Erhaltung der Art ist das Ziel!), verbunden mit Genuss und Freude. Evolutionär lässt sich die Entstehung von Sex nicht erklären.
Schwieriger ist die Bestimmung der Gemütslage der Individuen. Wenn nun in einer Gesellschaft bestimmtes Verhalten als männlich verstanden wird und anderes Verhalten als weiblich, dann kann es zu Konflikten kommen. Denn dieses „Verhalten“ ist nicht eindeutig auf Mann und Frau begrenzbar. In meiner Schulzeit habe ich burschikose Mädchen und zurückhaltende Burschen kennen gelernt.
Wenn das Geschlecht aber am Verhalten festgemacht wird, kommt man zu einem Zirkelschluss. Weil ein großer Anteil der männlichen Individuen ein bestimmtes Verhalten zeigen, hat man ihr Verhalten (leider?) als männlich bezeichnet und umgekehrt. Das sind aber soziologische Aspekte, die keine zwingende Korrelation zum biologischen Geschlecht haben.
Warum wird in einem Personalausweis die Eintragung des Geschlechts verlangt, wenn es beliebig veränderbar ist? Man könnte dann im Ausweis auch vermerken: vegan, musikalisch, fröhlich oder sportlich. Gemütslagen lassen sich ändern, das biologische Geschlecht aber nicht. Es wird durch die Chromosomen x und y festgelegt. Normalerweise führt eine Kombination xx biologisch zu einem weiblichen Geschlecht und eine Kombination xy zu einem männlichen. Nach meiner Kenntnis sind die Chromosomen von Geburt an festgelegt und lassen sich nicht verändern.
Da Menschen Individuen sind, hat jeder sein eigenes Verhalten, seine eigene Gemütslage. Dies würde dann auf Millionen von Geschlechtern auslaufen: doch das wäre dummes Zeug. Man muss zwischen dem „angeborenen“ Geschlecht und dem Verhalten unterscheiden. Überrascht ist man, wenn Vertreter einer schwammigen Definition des Geschlechts ihre Argumentation dann als Wissenschaft bezeichnen, wobei sie eigentlich nur ihre Meinung als Wissenschaft bezüglich des geschlechtlichen Verhaltens ausgeben.
Doch Ideologie?
Natürlich hat es schon immer Menschen gegeben, die sich in einem falschen Körper fühlten. Das führt aber zu keinem neuen Geschlecht. Biologisch gesehen gibt es nur zwei Geschlechter, die klar definiert sind. Eine klare soziologische Definition von Geschlecht ist mir nicht bekannt. Wenn nun in Gesetzestexten der Begriff „Geschlecht“ verwendet wird, müsste er zumindest eindeutig definiert werden. Ist das biologische oder das soziologische Geschlecht gemeint? Es ist also eine klare juristische Definition von Geschlecht erforderlich. Ansonsten würde eine große Willkür herrschen.
In der gesellschaftlichen Diskussion wird m.E. zu oft nicht wissenschaftlich argumentiert, sondern ideologisch. Es soll anscheinend alles relativiert werden. (Agenda der 68er Jahre). Eine kleine Minderheit ist mit dem biologischen Geschlecht, das auch Auswirkungen auf ihre Entfaltungsmöglichkeiten hat, nicht glücklich. Ihnen muss man helfen. Aber es muss auch auf die langfristigen Folgen verschiedener geplanter Regelungen hingewiesen werden. Wenn Jugendliche vor oder in der Pubertät (gelegentlich durch Beeinflussung anderer) ihr Geschlecht anatomisch wechseln wollen, was nicht 100 % möglich ist, dann sollte man besser ihre Volljährigkeit abwarten. Zu oft wollen sie später eine Rückumwandlung.
Was wären die Folgen einer solchen einfachen Regelung? Wenn jeder sein Geschlecht definieren kann, wie er es gerade möchte, und ein biologischer Mann behauptet, er sei eine Frau und dann bei den Umkleidekabinen zu den Frauen geht oder in ein Frauengefängnis verlegt werden soll, könnte das leicht missbraucht werden. Im Sport kann sich also ein biologischer Mann für den Wettkampf als Frau ausgeben. Diskriminierung? Erschleichung eines Vorteils? Vieles scheint noch nicht ganz durchdacht zu sein. Wenn schon die Regelung einer Gasumlage nicht so einfach ist, warum sollte ein solch großer Eingriff in bestehende kulturelle Regelungen so unbedacht vorgenommen werden? Vielleicht benötigen wir zwei Geschlechterkategorien: das biologische Geschlecht und die Geschlechterrolle, die man übernehmen möchte, wobei dadurch eigentlich die Existenz von vornehmlich zwei Geschlechtern unterstellt wird. Man möchte nur das andere Geschlecht haben.
In der Genderdiskussion wird oft die eigene Position als „wissenschaftlich“ postuliert; die gegenteilige Position ist dann Ideologie, rückständig und „unwissenschaftlich“. Hier wäre mehr Wahrhaftigkeit vonnöten. Außerdem sollte in einer freien Gesellschaft nicht eine Minderheit die Mehrheit unterdrücken. Es scheint mir so, dass mit Hilfe der Medien und der Gesetzgebung diese Positionen durchgesetzt werden sollen, die Bevölkerung also manipuliert werden soll, was dem Freiheitsideal und der Selbstbestimmung einer liberalen Gesellschaft im Grunde widerspricht.
Man gewinnt den Eindruck, dass es sich hierbei um einen kulturellen Kampf handelt, einen Kampf gegen das Bestehende, einen Kampf gegen die Familie (wie sie mal war), auch gegen Vorstellungen des Christentums. Die Ordoliberalen sahen in der Familie den Grundbaustein der Gesellschaft. Ich erinnere mich noch an die Studentenbewegung, die zu Beginn der 68-er Jahre postulierte: „Unter den Talaren sitzt der Muff von 1000 Jahren!“
Wie schnell wurden dann alle alten Traditionen an den Universitäten abgeschafft. Der evangelische Theologe Prof. Dr. Helmut Thielicke bemerkte einmal, wie enttäuscht er gewesen sei, dass die Professoren so schnell das Feld räumten. Erst Jahrzehnte später wagten die Universitäten langsam wieder Doktorfeiern mit Doktorhüten zu veranstalten. Wenn eine Gesellschaft nicht mehr zwischen Mann und Frau unterscheidet, nicht mehr den Unterschied zwischen Natur und Kultur wahrhaben will, dann kann es sein, dass man schließlich nicht mehr zwischen Sinn und Unsinn unterscheiden kann mit der Folge, dass Aberglaube als Wissenschaft ausgegeben wird: Statt Logik das Gefühl vorherrscht. Statt Rationalität wird in der öffentlichen Diskussion oft die Moral betont. Es wird behauptet und darüber gesprochen, dass wir in Europa eine Wertegemeinschaft sind. Eigentlich war die gesellschaftliche Errungenschaft der Rechtsstaat. Wenn nicht alle Menschen alle Werte teilen, hilft der Rechtsstaat dem Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Interessen.
Viele Konsequenzen für eine größere Freiheit für alles wurden nicht bedacht. Eine antiautoritäre Erziehung wurde einst gefeiert. Brauchen Kinder und Jugendliche nicht doch Vorbilder und eine Erziehung? Man erzählte sich damals, dass ein Junge nach dem Kindergartenbesuch sich bei den Eltern beschwerte, dass es langweilig gewesen sei. Er hätte immer tun sollen, was er wollte. Kinder brauchen Anregungen und Aufgaben.
Könnten nicht manche Krawalle und gewalttätige Demonstration in der antiautoritären Erziehung ihre Ursache haben? Auch die langfristigen Folgen für die Gesellschaft und die Kinder werden kaum beachtet. Das Individuum will seinen Spaß haben. Verantwortung wird gescheut. Alles jetzt genießen. Wird nicht die Frau in der neuen Ordnung nur zu einem wirtschaftlichen Faktor und zum Lustobjekt erniedrigt? Mit Lustversprechen gewinnt man die Wähler und die Wirtschaft sucht Frauen als Arbeitskräfte. Zu Lasten der Familie und des Kindeswohls?
Könnte es sein, dass vielen Menschen ein Lebenssinn fehlt? Man hat nur noch das Vergnügen als Lebensziel. Kann man auf Vergnügung stolz sein? Verfolgung der Lust verlangt eine stetige Steigerung der Lust. Geschichtlich gesehen haben „Lustgesellschaften“ keine Zukunft. Man danke nur an den Untergang Roms. Es erstaunt, dass viele reiche Personen, die alles im Leben erreicht haben, suizidgefährdet sind – weniger die ärmeren Schichten, die noch ein Ziel haben, sich besser zu stellen. Kommt nicht oft auch die Frage nach dem Sinn des Lebens auf? Wie kann der Mensch darauf Antworten erhalten?
Das Versagen der Kirchen und Christen wird hier deutlich. Religiös wenig informierte Menschen (wer kennt und liest noch die Bibel?) geben die öffentliche Meinung vor, was geschichtlich negative Folgen für die Gesellschaft hat. Immerhin ist Gott der Schöpfer der Menschen, der als deren Konstrukteur am besten weiß, was für die Menschen gut ist. Und alles war einmal sehr gut geschaffen – auch als Mann und Frau. Es täte gut, wenn wir wieder zu den Quellen der europäischen Kultur schauten und die große Bedeutung, die der Glaube an Jesus Christus für Gesellschaft und Wissenschaften hat, wieder anerkennen. Jesus sagte einmal von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Diese Aussage sollte in der Christenheit wieder ernst genommen und ihre Konsequenzen durchdacht werden. Hier haben wir Christen ein riesiges Betätigungsfeld.