Gesellschaft für Wirtschaft und Ethik

Aktienrente: Wohin geht die Reise?

In Anbetracht der Ungleichheitsdebatte und des mit der Ge nauigkeit eines Schweizer Uhrwerks ablaufenden „Methusa lem-Komplotts“1 (Frank Schirrmacher) ist es zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition die Aktienrente anpackt, also die Kapitaldeckung der Altersvorsorge stärken will. Dabei ist weder aus dem Koalitionsvertrag noch den jüngeren Verlautbarungen zu entnehmen, wohin die Reise genau gehen soll: Nach „Schweden“ oder nach „Norwegen“? Das Vorhaben, für die gesetzliche Rente einen Kapitalstock mit jährlich 10 Mrd. Euro aufzubauen, klingt nach „Norwegen“. „Norwegen“ steht dabei für die Lösung über einen Staatsfonds, welcher das Geld ansammelt. Das ist sinnvoll, wenn man über Ölreserven verfügt und einen Wertspeicher für kommende Generationen braucht. Deutschland hat aber bekanntermaßen kein Öl, dafür aber Schulden. Werden die 10 Mrd. aus dem laufenden Staatshaushalt faktisch schuldenfinanziert, baut der Staat damit nicht nur (staatliche) Beteiligungen an privaten Unternehmen auf, sondern agiert zu Ende gedacht wie ein Hedgefonds, der seine eigene Bonität (niedrige Refinanzierungskosten per Schulden) gegen eine höher erwartete Kapitalmarktrendite hebelt. Anders das Beispiel aus Schweden: Hier sorgen die Bürger sogar zwangsweise per Fondssparen selbst vor, in dem sie 2,5% ihres beitragspflichtigen Einkommens in einen Aktienfonds investieren. Dabei ist das Angebot groß. Für alle, die sich nichts selbst heraussuchen wollen, bietet der Staat selbst einen Fonds an. Am Ende hat jeder selbst die Anteile in seinem Depot. So klang auch die ursprüngliche Idee der Aktienrente in Deutschland, als es darum ging, den Erwerbstätigen zu ermöglichen, zwei Prozentpunkte der Rentenbeiträge in einen Fonds, statt in das staatliche Rentenloch einzuzahlen.

Aus ordnungspolitischer Sicht ist das „Reiseziel“ nicht unerheblich. Neben der Problematik, als Hedge-Fonds zu agieren, baut ein Staatsfonds selbst Kapital auf. Er erwirbt also Eigentumsrechte an den Firmen, in welche er investiert, wenn diese auch von einer staatlichen Institution (im deutschen Fall ist die Bundesbank im Gespräch) gehalten werden.

10 Mrd. als Anfangskapital mögen da wenig erscheinen. Meine eigenen Berechnungen zeigen jedoch, dass den Deutschen der DAX – rein rechnerisch – heute mehr als zweimal gehören könnte, hätten alle Erwerbstätigen in den 1970’er Jahren mit der Einführung der Mitbestimmung einen Sparplan auf den DAX mit 25 Euro im Monat begonnen. Welche Beträge über die Zeit zusammenkommen können, das verdeutlicht auch das Schaubild. So beläuft das Anlagevolumen des norwegischen Staatsfonds auf das ca. 12-fache des norwegischen Aktienmarktes (gemessen am MSCI Norwegen). Sicher kann hier eingewandt werden, dass eine kluge Anlagestrategie ein deutlich größeres Anlageuniversum vorsehen sollte. Als Referenz kann der globale Aktienmarkt genommen werden, wie es auch der Norway Government Pension Fund Global tut, aber das Ganze unterliegt einem politischen Prozess. Auch in Norwegen wurde in der jüngeren Vergangenheit diskutiert, ob nicht der Anteil norwegischer Firmen stärker gewichtet werden sollte. Das öffnet nicht nur der Industriepolitik Tür und Tor, sondern ermöglicht, bei entsprechenden Anteilsverhältnissen, die direkte Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen und die Besetzung z.B. von Aufsichtsratsmandaten. Ganz am Ende schimmert der „shareholder socialism“ (Giacomo Corneo) durch, eine Form des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Was unvereinbar mit den Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ist. Auch ist ein Staatsfonds immer eine Einladung, im öffentlichen Besitz befindliche Firmen darüber an den Kapitalmarkt zu bringen, ohne die Frage nach der Rendite für den Anleger stellen zu müssen. Oder sich daraus selbst zu bedienen. Anders sieht es aus, wenn die Bürger selbst Kapital für das Alter aufbauen können, um dann auch über die Eigentumsrechte zu verfügen. Der Souverän wird mittels Eigentumsaufbaus gestärkt. Die Ungleichheit verringert. Investmentfonds als Vehikel bedeuten auch gleichzeitig Wettbewerb der Anbieter, die sich nicht nur gegenüber dem staatlichen Angebot messen müssen, sondern auch untereinander.

Die Betrachtung zeigt, dass „Norwegen“ ordnungspolitisch ein Irrweg und von Seiten der Vermögensbildungspolitik ein Verstärker von Ungleichheit ist. Wer den Souverän stärken und die Ungleichheit verringern will, muss den Kapitalaufbau in privater Hand fördern.

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