Viele Länder kämpfen heute damit, dass sich ihre Gesellschaft in Gruppen spaltet, die einander kaum noch verstehen, oder die keine gemeinsame Beurteilungsgrundlage für politische Maßnahmen finden. Die Landtagswahlen im Herbst in Deutschland legen davon ebenso Zeugnis ab wie der Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Inzwischen wird zumindest partiell gefragt, ob und, wenn ja, welche Rolle Medien dabei spielen. Als mögliche Problemverursacher oder auch als potentielle Lösungsbeiträger.
Eine erste Herausforderung dabei ist es, die Medieninhalte intersubjektiv nachvollziehbar darzustellen, also so gut wie möglich in Daten und Fakten fassbar zu machen. Eine zweite Herausforderung ist es dann, mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen den Medieninhalten und der öffentlichen Meinung herzuleiten. Für beide Probleme hat die Publizistikwissenschaft in den letzten 100 Jahren allerdings Lösungen in Form von bewährten Analysemethoden¹ und empirisch gut fundierten Theorien² geschaffen. Mit denen lässt sich etwas Licht ins Dunkel bringen.
Im US-Präsidentschaftswahlkampf spielt schon lange die Frage eine Rolle, wie die Menschen im Lande die wirtschaftliche Lage wahrnehmen. „It’s the economy, stupid“, lautet der Spruch, der 1992 vom damaligen Wahlkampfmanger Bill Clintons geprägt wurde. Wenn die Wirtschaftslage eine so wichtige Rolle spielt, sollte die Verantwortung der Medien mit darin bestehen, ein akkurates Bild der Lage zu zeigen. Hier wird es allerdings schwierig, wie das folgende Beispiel zeigt: Erhoben wurden alle Beschreibungen der wirtschaftlichen Lage, in denen Donald Trump zitiert wurde. Teilweise betraf das Zeiten seiner Präsidentschaft, teilweise Zeiten des Wahlkampfs. Ausgewertet wurde eine wichtige Abendnachrichtensendung von FOX News.
Der Sender ist wiederum für viele Anhänger der Republikaner maßgeblicher Informationskanal. Die kleine Grafik zeigt, wie sich die US-Wirtschaft in der Zeit entwickelt hat. Mit Ausnahme des Einbruchs durch die Covid-19-Pandemie zeigt sich für die US-Wirtschaft beim realen Bruttosozialprodukt relativ stetiges Wachstum. Donald Trump wurde vor Beginn seiner Amtszeit mit primär negativen Darstellungen der Wirtschaftslage zitiert, während seiner Amtszeit mit zunehmend positiven und im Wahlkampf 2024 wieder mit primär negativen Einschätzungen.
Nun steht es jedem Politiker frei, seine eigene Sicht der Dinge zu verbreiten, wenn Medien sich dafür interessieren. Ein Faktencheck wäre aber eine wichtige Voraussetzung, um den Wahrheitsgehalt solcher Darstellungen zu prüfen. Im TV-Duell zwischen Trump und Harris hat ein solcher Faktencheck stattgefunden. Mit verheerenden Ergebnissen für Donald Trump³.
Ohne qualitativ hochwertigen Journalismus fehlt Gesellschaften eine wichtige Basis, um Fakten von bloßen Behauptungen unterscheiden zu können und um gemeinsame Lösungswege zu finden, wenn die Ansprüche verschiedener Gesellschaftsgruppen aufeinander treffen.
1 Vgl. z.B. Früh, W. (2015). Inhaltsanalyse: Theorie und Praxis (Vol. 2501). utb.
2 Vgl. z.B. Kim, S. H., Scheufele, D. A., & Shanahan, J. (2002). Think about it this way: Attribute agenda-setting function of the press and the public‘s evaluation of a local issue.
Journalism & mass communication quarterly, 79 (1), 7-25.
3 Vgl. FactChecking the Harris-Trump Debate – FactCheck.org, abgerufen am 15.10.2024; Fact check: Donald Trump, Kamala Harris debate on ABC News | CNN Politics;
abgerufen am 15.10.2024; CNN zählt ein Verhältnis von 30:1 Falschaussagen von Trump versus Harris.