Eine Analyse der Berichterstattung über die Europäische Zentralbank und von Ökonomenzitaten in deutschen Leitmedien.
Mit dem Satz „Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wir genug sein“ – in der englischen Kurzfassung „Whatever it Takes“ bei der Global Investment Conference in London am 26. Juli 20121 ist der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, in die Geschichtsbücher eingegangen. Draghi hatte erkannt, dass eine glaubwürdige Kommunikation notwendig ist, um die Finanzmärkte zu überzeugen, dass die EURO-Zone nicht zerbrechen wird, weil an den Märkten die Zinsen für die Staatsschuldtitel der EURO-Länder deutlich auseinander geklafft waren.
Die Märkte haben sich beruhigt und die hoch verschuldeten EURO-Länder haben seither von niedrigen Zinsen profitiert und viele Milliarden an Zinsen gespart. Das war möglich, weil sich parallel auch die Inflation niedrig gehalten hat. Noch während der Corona-Pandemie kommunizierte die EZB, ihr größeres Problem sei es, das selbst gesetzte Ziel von 2% Inflation zu erreichen.
Inzwischen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die EZB mit ihrer Kommunikation stark an Glaubwürdigkeit verloren hat. Dies soll an einigen Beispielen aus der wissenschaftlichen Medieninhaltsanalyse des Instituts Media Tenor (Zürich) deutlich gemacht werden.
(1) Die Medien haben die Berichterstattung über Inflation stark ausgebaut
Bis zum April 2021 hat Inflation in der Darstellung der Wirtschaftslage in Deutschland praktisch keine Rolle gespielt. Es wurde zwar über deutliche Preissteigerungen im Immobiliensektor berichtet, die wurden aber nur selten als gesamtwirtschaftliches Problem dargestellt.
Mit dem Mai 2021 hat sich das Bild allerdings gedreht. Neben Informationen über das Konjunkturklima, den Arbeitsmarkt oder den Wirtschaftsstandort machten Informationen über Inflation auf einmal zehn Prozent aller Beiträge zur Wirtschaftslage aus. Bis zum Jahresende stieg der Anteil auf 27,6 Prozent. Annähernd jeder dritte Beitrag befasste sich mit Inflation. Hinzu kommt, dass die Inflation in den Medien nur im Mai und Juni ausgewogen „geframt“ wurde. In dieser Zeit gab es noch Überschriften, die die Preissteigerungen als temporäres Problem bezeichneten. Ab Juli 2021 änderte sich das deutlich und der Ton wurde schärfer – zum Jahresende und noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine lag der Saldo von positiven und negativen Darstellungen bei -81,48 Prozentpunkten.
(2) Die Ökonomen-Zitate in den Medien widersprechen der Kommunikation der EZB
Die Meinungskluft beim Thema Inflation hat schließlich maßgeblichen Anteil daran, dass die EZB direkt kritisiert wird, oder auch zu einem Schwenk in der Geldpolitik aufgefordert wird. Während das Medienbild im Jahr 2020 noch fast ausgewogen war (Überhang negativer über die positiven Wertungen von 5,25 Prozentpunkten), lag der Saldo in den ersten Wochen des Jahres 2022 bei -27,89. Dagegen verzeichnet die Bundesbank unter ihrem neuen Präsidenten Nagel einen Imagezuwachs in den Medien – gerade auch als wahrgenommene Gegenstimme zur EZB.
Fazit
Die EZB hat die Aufgabe, die Geldpolitik in allen EURO-Ländern zu steuern. Deren Gegebenheiten sind bis heute sehr unterschiedlich und eine deutliche Straffung der Geldpolitik könnte einige Länder in Schwierigkeiten bringen. Das negative Meinungsklima in der größten Volkswirtschaft der EURO-Zone kann der EZB allerdings nicht egal sein. Der Vorgänger der heutigen Präsidentin hatte das zumindest erkannt und um das Vertrauen der Deutschen geworben – nicht zuletzt durch seinen Auftritt vor dem Bundestag im Oktober 2012.
1https://www.youtube.com/watch?v=Pq1V0aPEO3c; abgerufen am 19.3.2022